Wie sie E-Commerce-Projekte für den Mittelstand optimal realisieren – Oder: Warum Sie sich mit agilem Projektmanagement anfreunden sollten!

Wo liegen die Vorteile und Stolpersteine eines agilen Projektmanagement-Ansatzes im E-Commerce? Warum sollten sich mittelständische Unternehmen mit agilen Ansätzen auseinandersetzen? Was ist bereits bei Projektbeginn zu beachten, um Fehlentwicklungen zu vermeiden?

agiles projektmanagementNeuland betreten!

Für manche ist es das Internet, für andere Agilität. Oft stoße ich bei E-Commerce-Projekten im Umfeld mittelständischer Unternehmen auf Vorbehalte gegenüber agilen Ansätzen der Projektumsetzung. Agenturen und Dienstleister haben sich diesem Umstand bereits angepasst und bieten Hybrid-Modelle zwischen klassischem Wasserfall-Ansatz und agilen Methoden an. Aus meiner Erfahrung beruhen die Vorbehalte gegenüber agilen Methoden jedoch zu einem großen Teil auf ungenügender Kenntnis der Methodik. Oder Unternehmen haben schlechte Erfahrungen mit Agenturen und agilen Projekten gemacht.

Agil kann nur so gut sein, wie es angewendet wird

Wie bei anderen Projektmanagement-Methoden auch, sind agile Ansätze nur so gut, wie diese in der Praxis umgesetzt werden. Wenn sie einige wichtige Punkte beachten, ist agile Software-Entwicklung effektiver, innovativer und mit weniger Overhead belastet – also am Ende schneller und kostengünstiger.

Agile Projektplanung

Bereits vor Projektbeginn wird eine besondere Herausvorderung der agilen Projektumsetzung deutlich: Die Budgetplanung. Diese ist natürlich ein besonders kritischer Punkt für Auftraggeber. Bedenken und Kommentare gehen in die Richtung: „Es gibt keine Sicherheit, was man für sein Geld bekommt“ oder „Agil heisst ja, machen, was man will.“

Ich finde das durchaus nachvollziehbar. Einem mittelständischen Unternehmen fällt es eben schwer, einen Auftrag zu platzieren, bei dem nicht bis ins Detail definiert ist, welche Bausteine genau umgesetzt werden.

Optimaler Projektverlauf

Das ist der Grund, weshalb Unternehmen oft weiterhin einen konventionellen Ansatz wählen. Sie lassen ein detailliertes Lastenheft erstellen und dieses dann aisschreiben. Die beauftragte Agentur versucht dann das Projekt intern trotzdem agil umzusetzen, z.B. mit Srum. Das funktioniert dann ohne den wichtigsten Projektbeteiligten, nämlich den Auftraggeber, nur unzureichend. Daraufhin basteln Agenturen eine Kombination aus agilen Ansätzen und konventionellen Methodiken. Hier liegt bereits eine Ursache für nicht optimale Projektverläufe und Unzufriedenheiten auf beiden Seiten – Auftraggeber wie Auftragnehmer.

Agile Projektplanung – festes Budget und feste Termine

agiles Projektmanagement bei E-Commerce-Projekten
Die Grafik verdeutlicht den Unterschied zwischen konventioneller und agiler Projektplanung und Projektumsetzung: Das Beziehungsdreieck zwischen Budget, Zeitplanung und Produkt.

Um diese Zusammenhänge zu verstehen, möchte ich kurz die die Prinzipien agiler Methodik am Beispiel Scrum darstellen. Danach komme ich auf die Problematik der Budgetplanung in agilen Softwareprojekten zurück.

Scrum

Scrum ist eine der am häufigsten in der Software-Entwicklung eingesetzte Management-Methode. Sie wurde ursprünglich in der Software-Technik entwickelt und wird inzwischen in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Scrum basiert auf wenigen Regeln, Rollen und Events. Zentrale Idee ist dabei, dass ein Team effektiver arbeitet, wenn es sich selbst organisiert und seine Leistungsfähigkeit einschätzt. Ebenso, wenn das Team selbst Lösungswege erarbeitet antstatt nur vorgegebenen Wegen zu folgen. Das trifft insbesondere für (Entwickler-)Teams zu. Die Definition der Anforderungen ist nach Scrum also Lösungs-unabhängig.

Die Vorgehensweise nach Scrum ist agil und iterativ. Iterativ bedeutet, das Ergebnis, also die Software, wird Stück für Stück in festen Zeitabständen implementiert. In den meisten Projekten sind das zwei Wochen. Die einzelnen Softwarebestandteile werden als Inkremente bezeichnet. Jedes Inkrement muss einen Mehrwert für das zu entwickelnde Gesamtsystem liefern.

Schnellerer Projektstart mit Scrum

schneller starten mit scrum

Zu Projektbeginn ist ein wesentlicher Teil der Anforderungen und der Lösungsansätze noch nicht genauer definiert. Vereinfach gesagt, sind zu Projektbeginn nur diejenigen Anforderungen spezifiziert, die für den ersten Entwicklungszeitraum gebraucht werden. Also meist für 2 Wochen. Weitere Entwicklungsschritte sind nur grob definiert. Fest steht allerdings die Zielsetzung, die sogenannte „Projekt-Vision“.

Die Anforderungen werden im Projektverlauf Stück für Stück detaillierter festgehalten. Damit verläuft Konzeption und Umsetzung zeitversetzt paralell. Das ermöglicht es, wesentlich schneller mit der technischen Umsetzung zu beginnen. Bei agilen Ansätzen steht die Zielsetzung und der Nutzen, also der Mehrwert für den Auftraggeber im Vordergrund, weniger das „Was“ und „Wie“.

Zielführend arbeiten nach Srum

Zurück zum Beziehungsdreieck Budget – Zeitplanung – Produkt. Beim klassischen Ansatz bietet ein 100seitiges Lastenheft dem Auftraggeber die (scheinbare) Sicherheit zu wissen, was er für sein Geld bekommt. Demgegenüber steht beim agilen Projektansatz zu Projektbeginn lediglich die Zielsetzung des Projektes und einige grob formulierte Teil-Ziele fest.

Diese Betrachtung scheint für eine klassische Projektumsetzung zu sprechen. Allerdings gibt es einige Faktoren, die bei E-Commerce-Projekten zusätzlich berücksichtigt werden müssen:

  1. Komplexität
    E-Commerce-Projekte sind in der Regel komplex. Nicht nur die Shopsoftware selbst. Vielmehr gibt es umfangreiche Schnittstellen zu weiteren Systemen innerhalb der E-Commerce System-Infrastruktur und der IT-Systeme des Unternehmens.
  2. Flexibilität
    Einige dieser beteiligten Systeme sind oft zu Projektbeginn noch gar nicht bekannt oder definiert. Oder die Anforderungen ändern sich während der Umsetzungsphase.
  3. Zeit
    Größere E-Commerce-Projekte dauern Monate. Einzelne Systemkomponenten, die zu Projektbeginn definiert wurden, können mitten im Projekt überflüssig oder veraltet sein.
  4. Erfahrung
    Studien und wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema gibt es viele. In einer repräsentativen Studie 2017 stellten 73% der befragte Unternehmen Ergebnis- und Effizienzverbesserungen durch die Anwendung agiler Methoden fest. Ein kurzes Beispiel aus eigener Erfahrung:
    Bei der Einführung eines CRM-Systems für einen internationalen Handelskonzern entschied sich das Management – kurz vor GoLive – dafür, die geplante Eigenentwicklung einer Loyalty-Management-Software einzustellen. Stattdessen sollte ein Dienstleister eingebunden werden. Ein klassischer Ansatz hätte das Projekt für Monate zurückgeworfen und eine komplett neue Planung erfordert. Vom Budget ganz zu schweigen.

Hohe Flexibilität durch Agilität

Nur ein agiler Ansatz kann auf die genannten Faktoren adäquat reagieren. Bei klassischer Projektplanung und -durchführung ist der vereinbarte Projektumfang die einzige Konstante. Demgegenüber werden Budget und Zeitplanung gerissen. Unter Umständen sind Planungspausen notwendig oder bereits entwickelte Software kann nicht mehr verwendet werden.

Anders bei agilen Ansätzen: Hier stehen Budget und Termine fest. Gerissen wird hier im Zweifelsfall der Projektumfang. Da hoch priorisierte Aufgaben in der Planung vorn stehen und niedrig priorisierte Aufgaben am Schluß, werden so die wichtigsten Funktionalitäten sehr wahrscheinlich umgesetzt. Trotz der hohen Dynamik, durch die sich E-Commerce-Projekte auszeichnen.


Wie lassen sich Fallstricke vermeiden?

agile e-commerce projekte

Wie lassen sich Fallstricke bei der agilen Entwicklung von E-Commerce-Projekten vermeiden?

Um von den Vorteilen zu profitieren, die agile Methoden bieten, sollten sie einige wichtige Punkte beachten. Diese betreffen  Management, Mitarbeiter, Arbeitsweise, Denkweise, also eigentlich das gesamte Unternehmen:

1. Bereitschaft zur Veränderung

Hohe Flexibilität ist nicht nur von Mitarbeitern gefragt. Insbesondere das Management muss diese beweisen. Die Implementierung agiler Methoden führt auch zu mehr Eigenverantwortung, mehr Offenheit und einer veränderten Fehlerkultur.

2. Mut

Arbeiten sie mit Priorisierungen statt einem ausdefinierten Lastenheft. Dafür ist es notwendig, ihrem Team zu vertrauen. Lassen sie sich auf agile Methodiken ein. Suchen sie sich Dienstleister, denen sie vertrauen. Haben sie den Mut, diesen zu vertrauen. Wenn sie befürchten, ihre Agentur nutzt die agile „Freiheit“ dazu, um das Projektbudget zu erhöhen oder nur die Hälfte des Projektumfangs abzuliefern, arbeiten sie besser mit einer anderen Agentur.

Haben sie den Mut, ein Budget für eine Projekt-Vision freizugeben. Voraussetzung ist natürlich, die Zielsetzung des Projekts ist ihnen klar.

3. Zusammenarbeit mit Agenturen

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Projekte, die agil entwickelt werden, erfordern unbedingt und ausnahmslos die Mitarbeit des Auftraggebers. Sie erhalten nicht nach einiger Zeit eine gelieferte Ware – z.B. einen Onlinshop – sondern sie sind Teil des Projekts. Ein Überblick über die Konzeption des Gesamtprojektes ist genauso wichtig wie die Priorisierung in jedem Teilabschnitt während des gesamten Projektverlaufs.

Steuern sie Agenturen und Dienstleister aktiv!

4. Internes Know-how

Bauen sie internes Know-how auf! Kenntnisse im Anforderungsmanagement, in der agilen Methodik, der Prozesse und Systeme brauchen sie intern in ihrem Unternehmen. Natürlich neben dem täglichen Business und dem Shop-Management.

5. Konsequent agil

Zwingen sie die Agentur nicht zu faulen Kompromissen. Diese wird ihnen eine Mischkalkulation präsentieren und intern versuchen, nach Scrum zu arbeiten. Arbeiten sie mit und lassen sie sich nicht die Wurst vom Brot nehmen.

Fazit

Agile Methoden wie Scrum, eignen sich hervorragend, um E-Commerce-Projekte umzusetzen. Allerdings nur, wenn sie dazu bereit sind, ihre Sichtweise sowie ihre Arbeitsweise, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Agenturen und Dienstleistern, umzustellen.

Sind sie das, werden sie von den Vorteilen dieser Methoden profitieren. Sie werden ihr Projekt schneller und effektiver umsetzen können und somit ihre Ziele schneller erreichen. Und sie und ihr Team werden mehr Spaß an ihrer Arbeit haben – Trauen sie sich!

Links:

Scrum – auf einer Seite erklärt

Agiles Manifest

Agiles Arbeiten – BGM Fachtagung 2018 des ZWWUniversität Bielefeld

Interim Managememt – meine Leistungen