Warum E-Commerce-Projekte immer herausfordernd sind – und wie man sie trotzdem erfolgreich realisiert.

Als E-Commerce-Praktiker erhalte ich Beratungsaufträge von Kunden der unterschiedlichsten Branchen. Das reicht von der Stahlerzeugung bis zum gemeinnützigen Verein mit eigenem Onlineshop. Branchen-unabhängig begegnen mir immer wieder vergleichbare (Fehl-)einschätzungen, wenn es um die Planung und Realisierung von E-Commerce-Projekten geht. Aus meinen Erfahrungen möchte ich zwei Hypothesen zum Thema E-Commerce-Projekte vorstellen:
Erste Hypothese: Es gibt keine einfachen E-Commerce-Projekte
Ich werde oft zu Kunden gerufen, die bereits ein gescheitertes Projekt hinter sich haben und einen neuen, erfolgreicheren Projektstart hinlegen möchten. Der Grund für das Scheitern liegt oft darin, dass die Projekte nicht adäquat eingeschätzt werden. Insbesondere in Bezug auf Komplexität, Ressourcenbedarf, zeitlichem Aufwand und Budget.
Keine Alibi-Projekte im E-Commerce
Oft treffe ich auf Fehleinschätzungen in Hinblick auf die notwendige Priorisierung des Projektes. E-Commerce-Projekte sind Digitalisierungsprojekte. Diese lassen sich nicht „nebenbei“ durchführen. Mit der Einstellung eines Digitalisierungsbeauftragten ist das nicht getan. In einigen Unternehmen und Organisationen ist auch 2019 noch nicht angekommen, welche Veränderungen im Unternehmen die Digitalisierung implementiert.
Selbst wenn bereits ein CDO im Unternehmen installiert ist, hat dieser oft nicht die notwendigen Durchsetzung-Kompetenzen. Darauf weist auch Marcus Diekmann in seinem lesenswerten Artikel in der „CDO Insight“ hin.
Hohe Priorisierung ist notwendig
Dir folgende Grafik soll die Organisationseinheiten eines Unternehmens zeigen, die in der Regel an E-Commerce-Projekten beteiligt sein müssen. Sie verdeutlicht, weshalb schon aus organisatorisch-strukturellen Gründen eine hohe Priorisierung sowie der direkte Durchgriff des Managements auf alle Abteilungen notwendig sind. Dieses sollte ausserdem mit hoher technischer und prozessualer Kompetenz ausgestattet sein.

Kompetenzen klären
Für ein erfolgreiches E-Commerce Projekt müssen vor Projektbeginn die Kompetenzen geklärt sein. Hier wird es meistens kompliziert. Wer möchte schon freiwillig Kompetenzen abgeben? Müssen neue Organistionseinheiten geschaffen werden? Hat ein E-Commerce-Leiter Durchgriff auf alle Abteilungen? Oder ist ein CDO installiert? Mit welchen Kompetenzen?
Projektplan mit Roadmap
In der Praxis empfehle ich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, auch wenn der Ressourcenbedarf noch nicht im Detail bekannt ist, eine Roadmap zu erstellen. Diese sollte für alle Stakeholder und Anwedergruppen deren Beteiligung aufzeigen. Sie zeigt auf, von welcher Abteilung Zuarbeit erfolgen muss oder Informationen bereitgestellt werden. Wer ist wofür verantwortlich? Wieviel Umstrukturierung ist notwendig? Entscheidend ist das Commitment aller beteiligten Abteilungen zu diesem Plan, um versteckter Sabotage durch Verschleppung vorzubeugen.
Projektbeschreibung und Auftragsklärung
Etwas mehr Klarheit schafft eine Projektbeschreibung in Form einer Auftragsklärung. Diese wird in der Projektanfangsphase erstellt, mit allen Beteiligten diskutiert und committet. Wichtig ist die Unterschrift des oberen Managements.
Inhalte der Auftragsklärung
Die Auftragsklärung enthält eine Darstellung der Ausgangssituation, die Ziele des Projektes, die Kompetenzen der Projektleitung, einen groben Kostenrahmen und eine grobe Zeitplanung. Ich empfehle darüber hinaus, auch die geplante Vorgehensweise zu skizzieren (z.B. ob eine Ausschreibung erfolgen soll).
Was die Auftragsklärung enthalten sollte:
– Projektziele (formuliert nach SMART-Kriterien)
– grober Kostenrahmen
– zur Verfügung stehende Ressourcen
– Projekt-Roadmap
– Projektteam und Gremien
– weitere Rahmenbedingungen
– grobe Einschätzung Chancen und Risiken
– Kompetenzen der Projektleitung, Verantworlichkeiten der Abteilungen
E-Commerce Projekte sind komplex
Die Projektplanung muss entsprechend den beteiligten Abteilungen koordiniert und abgestimmt werden. Die benötigte Mitarbeit während der Umsetzungsphase muss klar sein. Die Kommunikationswege und -regeln ebenso. Zur Verdeutlichung habe ich die Grafik entsprechend ergänzt.

Herausforderungen für ihre Organisation
Die Herausdforderungen, die sich aus dieser Komplexität ergeben, können sehr weitreichend sein:
- Verschiedene Abteilungen koordinieren
- Ein gemeinsames Ziel haben
- Fortschritte im E-Commerce priorisieren
- Neue Strukturen implementieren
- Hierarchien verändern
- Geschäftsmodell anpassen oder verfeinern
Zweite Hypothese: Es gibt keine kleinen E-Commerce-Projekte
Aus einem weiteren Grund ist eine hohe Komplexität E-Commerce-Projekten immanent. Die nächste Grafik gibt einen Überblick über die wichtigsten Systeme, die mit einem Onlineshop „reden“ müssen.

Diese vereinfachte Grafik macht bereits deutlich, dass es einer mehr oder weniger großen Kraftanstrengung bedarf, um E-Commerce in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Denn nur so macht es Sinn. E-Commerce-„Inseln“ können auf Dauer nicht bestehen.
Die Herausdforderungen, die sich aus diesen Prozessen ergeben, sind ebenfalls sehr weitreichend.
Herausforderungen für Daten und IT-Infrastruktur
- Bereitstellung von Daten an jeder Stelle in ihrem Unternehmen
- Daten an jedem Punkt zugänglich machen
- Datenformate vereinheitlichen
- Datenqualität sicherstellen
- Digitalisieren aller Prozesse in ihrem Unternehmen
Fazit
E-Commerce-Projekte, sollen diese nicht zum Scheitern verurteilt sein, erfordern umfangreiche organisatorische und strukturelle (Vor-)arbeiten. Sollten diese im Rahmen der Digitalisierung ihres Unternehmens noch nicht erfolgt sein, muss das E-Commerce-Projekte als Teilprojekt der umfassenden digitalen Transformation des gesamten Unternehmens verstanden werden. Unterschätzen sie nicht die damit verbundenen Implikationen, denn: Es gibt keine einfachen E-Commerce-Projekte.
Links:
Digitalchefs: wie Antidepressiva bei Herzinfarkt
Lesenswerter Artikel über die Rolle des CDOs in Unternehmen
Auftragsklärung
Abschnitt aus dem „Projektmanagement Handbuch“, TRUECARE® GmbH
SMART-Kriterien
Wikipedia-Eintrag